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Wahrschauer
#49, Winter 2005
Gerade
frisch diesen Sommer erschienen ist die erste LP von Berlins Eigengewächs
Daisy Chain, in einer kleinen, aber feinen 500er Auflage. Auf der in unabhängiger
Koproduktion von Attack Records und Back To The Boots produzierten Scheibe
finden sich vierzehn Punkknaller, die am ehesten mit den kraftvollen,
melodiösen Songs der frühen AVENGERS oder VICE SQUAT vergleichbar
sind.
Grund genug, die charmanten Punks zum Interview zu bitten. Ich erfahre,
dass die Bandgründung jetzt vier Jahre zurück liegt. Hauptmotivation
damals war die Feststellung, dass in Berlin eine Frauenpunkband fehlt,
die den eigenen Ansprüchen genügt. Am Anfang erst als Spaßcombo
begonnen, hatten DAISY CHAIN ihren ersten Auftritt auf einem Frauen-Festival
in Hamburg, wo sie mit Ihrer gewollt prolligen Attitüde und provokativen
Texten ordentlich einheizten. Später aber, als die Sache konkrete
Formen annahm, wurde klar, dass aus DAISY CHAIN mehr als das zunächst
angedachte Spaßprojekt geworden war. Mittlerweile ist auch mit Gitarrist
Steffen ein männliches Mitglied hinzugekommen und die Band spielt
zwar immer noch, aber eben nicht ausschließlich nur für Frauen,
sondern freut sich mit jedem Konzertbesucher, der bei den Auftritten genauso
viel Spaß hat, wie sie selbst. Ihr aktuelles Line-up besteht somit
aus Eddy (vox), Moni (bass), Jolle (drums) und eben Steffen (der Arme
wird immer als letztes genannt).
Inhaltlich beschreiben DAISY CHAIN in ihren Songs (persönliche) Erfahrungen
und Geschichten, die alle in direktem Zusammenhang mit ihren alltäglichen
Erlebnissen stehen, und somit für den, der sich die Mühe macht,
die Texte die in deutsch und englisch auf dem beigelegten Poster enthalten
sind, nachzuvollziehen sind. Sehr sympathisch, dass es ihnen anscheinend
so wichtig ist, ihre Lyrics rüberzubringen, dass sie davon ein großes
Poster anfertigen. Coole Sache, das sollten sich mal einige Bands zum
Vorbild nehmen.
Musikalisch rocken DAISY CHAIN, wie bereits oben erwähnt, ganz klar
auf den Pfaden des kraft- und druckvollen 1977- Punkrocks, ohne sich dabei
den Einflüssen der letzten dreißig Jahre Punk zu entziehen
.
Und inzwischen sind sie zu einer Band gewachsen, die neben den (leider
etwas schwierigen und langwierigen) Plattenaufnahmen immer gerne und überall
auftritt. Wer die Band also buchen möchte, sollte sich unter den
angegebenen folgenden Adressen im Infokasten unten melden. Sie spielten
bereits in der Schweiz und in Holland ein paar Clubs heiß und kürzlich
eine Mini Polentour übers Wochenende. Nach ihrer Wiederkehr war Jolle
die Erschöpfung deutlich anzumerken, und die Arme wurde dann auch
noch vom Wahrschauer gefoltert.
Ihre Platte ist INDEPENDENT und vor allen Dingen (vorerst nur) auf Vinyl
erschienen, weil sie dies für das eindeutig schönere Format
halten, auch wenn sie dabei das Risiko eingehen, potentielle CD- Käufer
zu verlieren. Das PlattenCover kommt natürlich stilgerecht in schwarz-weiß.
Auf Seite A sind eine aggressive Nummer ("i hate myself"), ein
wunderschöner Lovesong namens "never forget you", der genauso
geil ist wie "good as fuck", aber eben ganz anders, eher gedämpft
und gänsehauterzeugend. Seite B startet gleich mit einer Hymne: "punkrock
my life", überzeugend. Es gibt auch einen einzigen Song auf
deutsch, "kaputt ist schön" und (wie ungewöhnlich)
eine Coverversion von THE HUMAN LEAGUE. "shut the fuck up",
eigentlich einer der härtesten Songs, ist von ihrer 2002 erschienenen
CD übernommen. Ich werde auch an den Sound ihrer Kreuzberger Nachbarn
SCATTERGUN erinnert, nur sind DAISY CHAIN noch roher, unprofessioneller.
Also zieht euch mal die schwarze Vinyl rein, es gibt sie in jedem besseren
Plattenladen, Versand, oder bei den Gigs - check it! (Smartie!/ comagirl)
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